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Sonntag, 22. Dezember 2024

Sonntag als Ruhetag?

Sonntag als Ruhetag?

Warum feiern wir heute allgemein den Sonntag als Ruhetag? Hier finden Sie einen kurzen Abriss der geschichtlichen Entwicklung des Ruhetags vom Samstag (dem biblischen Sabbat) zum Sonntag. Außerdem werden Äußerungen der römisch-katholischen Kirche zu dieser Änderung angeführt.

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Lassen wir also die Geschichte zu Wort kommen:

 „Die frühesten christlichen Zeugnisse über christliches Sonntagsfeiern stammen aus Alexandrien und Rom. Zirka 130 n. Chr. schrieb Barnabas aus Alexandrien einen Brief in dem er erklärte, daß ‚wir‘ mit Freude ‚den achten Tag‘, (d. h. also den Sonntag) feiern (Kap. 15)…. Sokrates, einer der Geschichtsschreiber aus der frühen Kirche (385-445), schreibt: ‚Obwohl beinahe alle Kirchen der Welt die heiligen Geschehnisse am Sabbat jeder Woche feiern, weigern sich trotzdem, aufgrund der einen oder anderen Tradition, die Christen von Alexandrien und Rom, dies zu tun.‘ … Ohne Zweifel war die Kirche in Rom schon früh mächtig genug, um ihre Ideen einem großen Teil der christlichen Kirchen aufzuzwingen. […] Der schnelle Zugewinn, den der Sonntag verzeichnen konnte, war nicht allein antijüdischen Gefühlen zuzuschreiben. Das wachsende Interesse an allerlei Sonnenkulten ab der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts war ebenfalls ein wichtiger Faktor. Viele der aus dem Heidentum bekehrten Christen wurden von diesen Kulten angezogen, was u. a. aus der immer öfter vorkommenden Bezeichnung Christi als ‚Sonne der Gerechtigkeit‘, aus liturgischen Gebräuchen sowie dem Gebet in Richtung Osten deutlich wird; ebenso aus der Einführung der Feier des 25. Dezember – ursprünglich das heidnische Fest der Sonnenwende – als dem Tag, an dem der Geburt Jesu gedacht wird.  (Bei der Einführung des Weihnachtsfestes am 25. Dezember spielte erneut die Kirche in Rom eine vorherrschende Rolle.)

Vor allem die Popularität des aus dem Osten importierten Mithraskults, bei dem die Sonnenverehrung sehr wichtig war, trug dazu bei, daß die Aufmerksamkeit, die man zuvor dem Tag des Saturns (Samstag) gewidmet hatte, sich auf den Tag der Sonne verlagerte. Die Christen entdeckten, daß viel von der Symbolik der Sonnenkulte in ihre Glaubensvorstellungen eingepasst werden konnte. […]

Sonntag als Ruhetag

Bei alledem muß bedacht werden, daß anfänglich das Feiern des Sonntags nicht bedeutete, daß man an diesem Tag auch ruhte. Es war vielerorten gebräuchlich, am Sonntag zur Feier des Abendmahls zusammenzukommen, aber sonst wurde normal gearbeitet. Das Element der Ruhe war vor allem den Anstrengungen der römischen Obrigkeit zu verdanken, vor allem den Initiativen des Kaisers Konstantin.“ (Bruinsma, 1988)[1]

Am 3.3.2021 titelt ein Artikel auf der Internetseite der Katholischen Nachrichten-Agentur:

„Vor 1.700 Jahren: Als Konstantin der Große die Sonntagsruhe einführte

Erlass des Kaisers: ‚Alle Richter, die Stadtbevölkerung und die Betriebe aller Gewerbe sollen am verehrungswürdigen Sonn-Tag (venerabilis die solis) ruhen. Die ländliche Bevölkerung soll dennoch der Landwirtschaft frei und ungehindert nachgehen, da es oft vorkommt, dass es keinen besseren Tag gibt, um Getreide zu säen oder Weinstöcke zu pflanzen; denn ein Vorteil, den die himmlische Vorsehung gewährt hat, soll nicht durch die Wahl des Zeitpunkts verschenkt werden.‘

[…]

Der ‚unbesiegte Sonnengott‘ erfreut sich großer Beliebtheit

Konstantin nun legte den Ruhetag auf den laut jüdischer Zählung ersten, laut römischer Zählung zweiten Tag der Woche. Ausschlaggebend war wohl weniger der "Herrentag" der Christen; vielmehr war dieser Tag jenem Gott gewidmet, der sich reichsweit durchgesetzt und mit dem Kaiserkult eng verbunden hatte: ‚Sol invictus‘, der unbesiegte Sonnengott. Damit kam der Kaiser auch anderen entgegen, etwa dem geheimnisumwitterten Mithras-Kult, in dem die Sonne ebenfalls eine wichtige Rolle spielte. […]

Konstantin sei es gelungen, so der Althistoriker und Konstantin-Spezialist Klaus Martin Girardet, ‚durch seinen nüchternen Erlass über den 'venerabilis dies solis' eine Reihe von Fäden zusammenzuführen, die bislang nebeneinander hergelaufen waren‘. Das ‚hohe integrative Potenzial‘ des Sonntagserlasses habe sich bewährt. ‚Vieldeutigkeit und Offenheit der Formulierung‘ im Erlass habe Konstantin beabsichtigt, so Girardet. Darin liege ‚das Geniale dieser Maßnahme, die wie kaum eine andere charakteristisch ist für die Religionspolitik Konstantins‘. […]

Von Roland Juchem (KNA) Grundlage des Sonntags“ (Juchem, 2021)[2]

 

„Konstantin berief sich bei seinem Dekret eindeutig nicht auf die Zehn Gebote, denn das Sabbatgebot kannte eine Ausnahme für bäuerliche Arbeiten nicht (vgl. 2. Mose 20, 8-11). […] Inzwischen sahen sich die Christen vor das Problem gestellt, zwei Ruhetage, den Sabbat und den Sonntag, in ihr Leben einbauen zu müssen. So wählten sie immer mehr das Ruhen am Sonntag anstelle des Sabbats.

Im Jahre 364 wurde in Laodizea durch eine regionale Kirchenversammlung empfohlen, am Sabbat zu arbeiten und wenn möglich am Sonntag zu ruhen. Es sollte noch Jahrhunderte dauern, bis dies die (beinahe) überall gebräuchliche Praxis wurde. Der große Kirchenführer und Theologe des vierten Jahrhunderts, Athanasius, … schrieb: ‚Wir kommen am Sabbat zusammen, nicht etwa, weil wir vom Judaismus angesteckt wären … sondern wir halten den Sabbat, um Christus, den Herrn des Sabbats zu ehren.‘ (Pseudoathan, de semente, tom. 1.) […] (Bruinsma, 1988)[3]

Eine Zeit lang arbeitete man noch sonntags in der Landwirtschaft, wenn man keinen Gottesdienst besuchte. Der siebte Tag wurde weiterhin als Sabbat betrachtet. Allmählich kam es jedoch zu einer Veränderung. Trägern kirchlicher Ämter war es untersagt, an Sonntagen zivilrechtliche Urteile zu fällen. Bald darauf erging ein Verbot für jedermann, gleich welchen Standes, sonntags allgemeiner Arbeit nachzugehen, und zwar bei Geldstrafe für Freie und Rutenschlägen für Unfreie. Später wurde angeordnet, Reiche mit dem Verlust der Hälfte ihres Vermögens zu bestrafen oder, wenn sie weiterhin widerspenstig waren, zu Sklaven zu machen. Niedrigeren Klassen drohte eine lebenslängliche Verbannung.“ (White, Vom Schatten zum Licht, 2011)[4]

Wie schwierig es war, das Sabbathalten gänzlich auszurotten, sehen wir an der Tatsache, daß es sogar in Rom um das Jahr 600 Menschen gab, die den Sabbat propagierten. Papst Gregor I. schreibt über ‚einige Männer, die einen verderblichen Geist besitzen‘ und den Gläubigen verbieten, ‚irgendeine Arbeit am Sabbat zu verrichten‘“. (Bruinsma, 1988)[5] [...] In der Kirche des Westens sehen wir, wie sich der Sonntag von einem Tag geistlicher Ruhe zu einem echten Ruhetag entwickelte, für den man sich immer öfter auf die mosaischen Sabbatvorschriften berief. Der Sonntag wurde zu einer kirchlichen Einrichtung, deren Entheiligung immer mehr kirchliche und bürgerliche Sanktionen mit sich brachte. […] Es war die Aufgabe des Thomas von Aquin, des größten katholischen Theologen aller Zeiten, darzulegen, wie das Sabbatgebot so ausgelegt werden konnte, daß es auf das Sonntagfeiern paßte. […] Das Zeitelement – der siebte Tag – habe inzwischen seine Bedeutung verloren, doch die Notwendigkeit, sich für geistliche Belange Zeit zu nehmen, bleibe unvermindert bestehen.“ (Bruinsma, 1988)[6]

„Ungeachtet aller Bemühungen, die Sonntagsheiligung einzurichten, bekannten die Anhänger des Papsttums selbst, dass der Sabbat göttlichen, der Sonntag, der ihn ersetzte, aber menschlichen Ursprungs wäre. Im 16. Jahrhundert erklärte ein päpstliches Konzil eindeutig: ‚Alle Christen sollten bedenken, dass der siebente Tag von Gott geheiligt und nicht nur von den Juden angenommen und beachtet wurde, sondern auch von allen andern, die vorgaben, Gott zu verehren, obwohl wir Christen ihren Sabbat in den Tag des Herrn umgewandelt haben.‘ (MD, 281/282) Jene, die sich erdreisteten, Hand an das göttliche Gesetz zu legen, waren sich des Charakters ihres Werkes wohl bewusst. Sie erhoben sich absichtlich über Gott.“ (White, Vom Schatten zum Licht, 2011)[7]

„Nebenbei sei hier noch angemerkt, daß bis in das späte Mittelalter der Sonntag von Sonnenuntergang bis Sonnenuntergang gefeiert wurde.“ [Für die Menschen zu biblischen Zeiten war das das Verständnis des Tagesablaufes. Der Tag begann am Vorabend und ging wieder bis zum Abend. (Anmerkung der Redaktion) …] Der Sonntag hatte eindeutig über den Sabbat gesiegt. Und trotzdem gab es auch im Mittelalter Christen, die das Sabbathalten um nichts in der Welt aufgeben wollten.“ (Bruinsma, 1988)[8]

 

Wie steht die neuzeitliche römisch-katholische Kirche zu diesen Entwicklungen? Hier einige Zitate, die das eindeutig beantworten: Im Konvertitenkatechismus von Peter Geiermann heißt es:

„Frage: ‚Welches ist der Sabbattag?‘

Antwort: ‚Samstag ist der Sabbattag.‘

Frage: ‚Warum beobachten wir den Sonntag statt den Samstag?‘

Antwort: ‚Wir feiern Sonntag statt Samstag, weil die katholische Kirche auf dem Konzil von Laodizea 336 n. Chr. [sic, richtig ist 364 n. Chr.] die Feierlichkeit vom Samstag auf den Sonntag übertragen hat." (Geiermann, 1937)[9]

Dieses Werk erhielt den „apostolischen Segen" von Pius X. am 25. Januar 1910.

 

Und Stephan Keenan schreibt im Buch „A Doctrinal Catechism auf Seite 174:

„Frage: Habt ihr noch eine andere Möglichkeit zu beweisen, dass die Kirche die Macht hat, Feste nach Vorschrift zu begehen?

Antwort: Hätte sie diese Befugnis nicht, hätte sie nicht das tun können, worin alle modernen Religionsgelehrten mit ihr übereinstimmen – sie hätte nicht den Sonntag als ersten Tag der Woche an die Stelle des Samstags als siebten Tag setzen können, eine Änderung, für die es keine biblische Autorität gibt.“ (Keenan, 1876)[10]

 

Die römisch-katholische Kirche hat in ihren Katechismen das 2. Gebot, das die Bilderverehrung verbietet, ausgelassen. Aus diesem Grund ist das 4. Gebot der Bibel, das 3. Gebot im katholischen Katechismus. H. Canon Cafferata schreibt in seinem Buch „Der Katechismus einfach erklärt“:

„192. Was ist das dritte Gebot?

Das dritte Gebot lautet: Gedenke, dass du den Sabbat heilig hältst.

193. Was wird uns durch das dritte Gebot befohlen?

Durch das dritte Gebot wird uns geboten, den Sonntag zu heiligen.

Der Sabbat oder Ruhetag der Juden war der Samstag, den sie heilig hielten, weil Gott bei der Schöpfung am siebten Tag ruhte und weil sie so ihrer Befreiung aus Ägypten gedenken wollten. Die Kirche hat die ihr von unserem Herrn verliehene Macht genutzt und die Einhaltung des Sabbats durch die Einhaltung des Sonntags ersetzt, um der Auferstehung unseres Herrn am Ostersonntag und das Herabkommen des Heiligen Geistes am Pfingstsonntag zu gedenken. Im Neuen Testament (Apostelgeschichte 20,7; 1. Korinther 26[sic, richtig wäre 16],2) gibt es Hinweise darauf, dass die Apostel begannen, den Sonntag ebenso wie den Samstag als Tag der Anbetung zu begehen; aber die Apostel haben in dieser Angelegenheit kein Gesetz erlassen, und der vollständige Übergang vom Samstag zum Sonntag war ein allmählicher Prozess, der unter der Autorität der Kirche erfolgte. Diejenigen Christen, die an die Bibel und nur an die Bibel glauben, haben einige Schwierigkeiten zu erklären, warum sie den Sonntag heilig halten und nicht den Sabbat.“ (Cafferata, 1938)[11]



[1] Bruinsma, Reinder: Kein Tag wie jeder andere. Saatkorn-Verlag. Hamburg 1988, S. 106-110

[2] Juchem, Konrad: Grundlage des Sonntags in KNA auf https://www.katholisch.de/artikel/28929-vor-1700-jahren-als-konstantin-der-grosse-die-sonntagsruhe-einfuehrte, zuletzt aufgerufen am 21.03.2022

[3] Bruinsma, Reinder: Kein Tag wie jeder andere. Hamburg 1988, S. 110ff

[4] White, Ellen G.: Vom Schatten zum Licht, Krattigen 2011, Premiumausgabe S. 385

[5] Bruinsma, Reinder: Kein Tag wie jeder andere. Hamburg 1988, S. 111f

[6] Bruinsma, Reinder: ebd. S. 113f

[7] White, Ellen G.: Vom Schatten zum Licht, Krattigen 2011, Premiumausgabe, S. 387

[8] Bruinsma, Reinder: ebd. S. 114f

[9] Geiermann, Peter: The Convert's Catechism of Catholic Doctrine. London 1937 ed. S. 50 auf University of Notre Dame, https://curate.nd.edu/downloads/und:bv73bz63h5c, zuletzt aufgerufen am 13.12.2022

[10] Keenan, Stephen: A Doctrinal Catechism [FRS No. 7.], (3rd American ed., rev.: New York, Edward Dunigan & Bro., 1876), S. 174 auf Internet Archive: https://archive.org/details/doctrinalcatechi01keen/page/174/mode/2up?q=religionists, zuletzt aufgerufen am 13.12.2022 

[11] Cafferata, H. Canon: The Catechism Simply Explained. London. Burns Oates & Washbourne Ltd., (1938), S. 89 in http://www.catholicapologetics.info/thechurch/catechism/Cafferata.htm, zuletzt aufgerufen am 13.12.2022,

 


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